Für eine höhere Mehrwertsteuer [Update]

Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach argumentiert im Wahlblog für eine höhere Mehrwertsteuer. Ist es durchaus wert gelesen zu werden, es geht ja nicht nur um die Erhöhung der Mehrwertsteuer, sondern darum mit einer Erhöhung dieser Konsumsteuer eine Reduzierung der Einkommenssteuersätze und der Sozialabgaben zu finanzieren. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer könnte also durchaus zu einer spürbaren Entlastung der Steuerzahler führen und bei entsprechenden Anpassungen Renten und Sozialleistungen wäre das auch sozial umzusetzen…
Das Problem bleibt nur: warum sollten Parteien ein Steuersystem ändern und vereinfachen, wenn ihre Anhänger und sogar die Parteien selber vom aktuellen Zustand profitieren? Eben, da fehlt es einfach an der Motivation…
Der Stern versucht sich übrigens an einer Zusammenfassung der steuerpolitischen Konzepte von Union, SPD, FDP und den Grünen. Dabei gibt es natürlich einige Vorbehalte – angefangen bei der Tatsache, dass noch nicht alle ihr Wahlprogramm fertig haben bis zum berühmt-berüchtigten Finanzierungsvorbehalt…

Update: auch der Vorsitzende des Rates der Wirtschaftsweisen ist für eine höhere Mehrwertsteuer.

Und der nächste…

Und wieder einer: der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Hakki Keskin verlässt nach 30 Jahren die SPD. Seine Begründung ähnelt den bekannten Argumenten der bisherigen prominenten Parteiaustritte doch sehr:

Ziele und ethische Werte der Sozialdemokraten unter Willy Brandt wie soziale Gerechtigkeit und Solidarität mit Benachteiligten seien auch für Keskin eine «politische Heimat» gewesen. «Die so genannten Reformen der rotgrünen Bundesregierung, vor allem in den Bereichen Steuern, Hartz IV, Gesundheit, Staatsangehörigkeitsrecht und Zuwanderung, zeigten jedoch mehr als deutlich, wie sehr sich die SPD von ihren Grundzielen entfernt hat», betonte Keskin.

Die WASG wäre für ihn eine Überlegung wert, aber noch hat er sich nicht entschieden, ob er dieser (und damit der wohl kommenden Linkspartei) beitreten will…

Das mit der Enthaltung

Markus hat im Küchenkabinett genau getroffen, was ich mir gedacht habe, als ich zum ersten Mal das mit der “Einladung zur Enthaltung” gehört habe:

In formaler Hinsicht ist es quasi die Möglichkeit, die Mehrheit zu verlieren, ohne die Mehrheit zu verlieren. Viel ekelhafter geht es dafür kaum noch. Die SPD wird sich damit als völlig ohne Rückgrat präsentieren. Eine klarere Frage als “Vertraut ihr mir?” kann man kaum stellen. Sie mit einer Enthaltung zu beantworten ist derart befremdlich, dass sie nach einem Enthaltungsverbot schreit. Vertrauen kann man aussprechen, oder man kann es lassen. Nicht so wie bei einem Gesetz, wo man indifferent oder ambivalent sein könnte, was eine Enthaltung mithin rechtfertigt. Es ist so ungefähr die gleiche Klasse von Frage wie “Liebst du mich”. Kann man auch nicht mit “Weiss nicht” oder “Sag ich nix zu.” beantworten.

Aber lest einfach selber.

Arbeitslose für Bundeswehrübungen?

Eine neue Idee um die Arbeitslosen von der Strasse zu bekommen: man holt sie auf Bundeswehr-Übungsgelände. Statt einen Teil der Soldaten als Gegner bei Übungen zu verkleiden könnte man doch auch Arbeitslose einsetzen… Während der Schockwellenreiter das für eine Schnapsidee hält frage ich mich, ob es nicht doch Sinn machen könnte? Wenn die Bundeswehr ihre “Übungszivilisten” teilweise von Zeitarbeitsfirmen vermittelt bekommt, warum dann nicht auch von Job Centern der Agentur für Arbeit? Hey, es ist ein Job, oder nicht?

Verfassungsrechtliche Bedenken?

Soso, die Union hat also “verfassungsrechtliche Bedenken” zur geplanten Neuregelung von Abgeordneten-Nebenjobs. Und es brächte keine zusätzliche Transparenz für den Bürger. Also mal abgesehen davon, dass ich mir einfach nicht vorstellen, dass der Union plötzlich so viel an Transparenz liegt gebe ich doch zu, dass ich es doch lieber genauer wüsste, von wem unsere Abgeordneten für was noch so Geld bekommen. Aber immerhin ist die vollständige Meldung gegenüber dem Bundestag doch schon mal ein Fortschritt. Aber besser wäre natürlich eine vollständige Offenlegung, wie sie zum Beispiel Florian Pronold (SPD) im Februar gefordert hat.

Betrug am Wähler – na und?

Jetzt mal ganz ehrlich, interessiert es denn noch jemanden, wenn man Parteien (in diesem Fall der CDU/CSU) “Betrug am Wähler” vorwirft? Klar haben die “Unternehmer gegen Softwarepatentierung” mit ihrem offenen Brief recht, aber wenn wir ein wenig zurück denken? Götz hat es auf den Punkt gebracht:

Ich bin bestimmt kein großer Anhänger von Ethik und Moral,
wenn ein Politiker mich belügt, find ich das eigentlich normal,
mehr erwart ich nicht von ihm und solang er´s nicht übertreibt,
ist mir schon klar, daß ihm im Grund auch gar nichts andres übrigbleibt.

Aber trotzdem:
www.campact.de

Und was lernen wir daraus?

Es ist schon interessant, wie die SPD mit früheren Genossen umgeht, die den aktuellen Kurs nicht mehr mitmachen wollen. Statt sich mal zu überlegen, warum der linke Flügel der Partei immer weniger die Chance sieht, noch innerhalb der Partei etwas zu verändern, haut man lieber auf die drauf, die daraus ihre Konsequenzen ziehen. Dass der Oskar ja nur ein mediengeiler Selbstdarsteller sei haben wir jetzt oft genug gehört, aber auch der aktuelle “Verräter” und “Überläufer” Ulrich Maurer wird nicht verschont. Da wird im Blog der SPD Baden-Württemberg erklärt: “Wirklich bedauerlich, aber durchaus verzichtbar, da Uli sich leider in den letzten Jahren ausschließlich in die Jammer- und Meckerecke zurückgezogen hatte.
Da fragt man sich: warum wird so jemand SPD-Kandidat für den Landtag, wenn er doch nur noch gejammert und gemeckert hat? Ist die SPD also die Partei, in der man nur mit Jammern und Meckern an politische Ämter kommt? Weiha…
Oder Marcel Bartels mit seinem Parteibuch, der schon den ersten offenen Brief von Ulrich Maurer mit “Leuten, die als Parole den Kampf gegen den Neoliberalismus oder einen Sonst-Wie-Ismus ausgeben, mag ich nicht besonders gern zuhören.” abgetan hat. Als gäbe es außer dem Neoliberalismus nicht noch jede Menge anderer “ismen”… naja, aber es mag Marcel zugestanden sein, seinem Parteichef nicht gerne zuhören zu wollen – oder wie war das mit dem Kapitalismus:

Seine Kritik am Kapital verschärfte der SPD-Chef noch einmal: “Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten. Sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter.” Eine bestimmte Schicht von Leuten aus der Wirtschaft und auf den internationalen Finanzmärkten führe sich auf, “als gebe es für sie keine Schranken und Regeln mehr”, sagte Müntefering. “Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir.”

Huch, der will ja auch gegen einen “ismus”, zumindest in einer bestimmten Form kämpfen. Egal, ich schweife ab (liegt wohl an der Hitze, die mich auch effektiv am Schlafen hindert).
Aber es zeigt sich schon: ein Nachdenken über die Gründe und Argumente für den Parteiaustritt wird eher vermieden. Wozu denn auch? Die Parole ist klar: weiter so, aber mit einigen kleinen kosmetischen Korrekturen, wie der Anpassung von Ost-ALGII an das Westniveau und einer Reichensteuer (als hätte das alles nicht längst passieren können). Wer diesen Weg nicht mitgehen möchte soll gefälligst den Mund halten, schließlich ist es ja nicht hinzunehmen in Wahlkampfzeiten die Linie der eigenen Partei zu kritisieren und wer daraus die Konsequenz zieht und geht ist dann doch nur ein meckernder fahnenflüchtiger Verräter…
Nein, was aus der SPD geworden ist gefällt mir immer weniger. Es gab mal Zeiten, da gehörte das innerparteiliche Streiten um Positionen zum guten Ton in der SPD – wie es sich eben in einer Demokratie gehört. Aber inzwischen ist die SPD mehr und mehr zu dem geworden, was gerade die SPD in der Ära Kohl der Union vorgeworfen hat: ein Kanzler-Wahlverein. Hauptsache an der Macht bleiben, egal um was es geht. Bei allen positiven Dingen, die die rot-grüne Koalition auf den Weg gebracht hat (Umweltschutz und Ausländerrecht zum Beispiel) haben sie eben auch verdammt viel Mist gebaut, dazu gehört der massive Angriff auf die Bürgerrechte ihres Innenministers (den das Bundesverfassungsgericht zumindest noch ein wenig dämpfen konnte), das untragbare Verhalten im EU-Rat in Sachen Softwarepatente (“Wir scheissen auf den Willen des Bundestags und stimmen trotzdem dafür”) und eben die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gerade in den beiden letzten Punkten sucht man vergeblich einen deutlichen Unterschied zu schwarz-gelb…

Zuwachs für die WASG

Ganz ohne Wahlen hat die WASG jetzt einen Landtagsabgeordneten: Ulrich Maurer verlässt die SPD und wird WASG-Mitglied. Landtagsabgeordneter will der frühere Chef der SPD Baden-Württemberg bleiben. Interessant zu lesen ist sein dreiseitiger Abschiedsbrief an den SPD-Landesverband, den man bei Spiegel online nachlesen kann und der endet mit “Ich bin nicht mehr in der Lage dies zu ertragen und ich mag auch nicht mehr Euch ertragen.“.
Nicht weniger interessant ist auch sein offener Brief an den Parteivorstand von Ende Mai.

Die Linkspartei und der rechte Rand

Eines zumindest hat NPD-Vorturner Udo Voigt mit seinem Spruch von der angeblichen Unterwanderung der WASG und der PDS erreicht: ziemlich viel Aufregung. Spannend dabei ist aber, dass Ramelow und Pau (beide PDS) die Sache so darstellen als ginge es nur um die WASG… Leute, auch die PDS ist angeblich Ziel der Unterwanderungsversuche. Also nicht nur von der WASG eine Abgrenzung gegen Rechtsextremisten verlangen, sondern auch mal im eigenen Laden nach den Rechten sehen (ja, 5 Euro in die Wortspielkasse g)…