Interpretationsspielräume

Mitte Mai hat der Bundesrat in einer Stellungnahme den Entwurf der Bundesregierung kritisiert, jetzt schon liegt die Antwort darauf der Bundesregierung vor. Um es kurz zu machen: auch von der Kritik des Bundesrats lässt sich die Regierung nicht von ihren katastrophalen Plänen der Novelle abbringen. Und der Bundesrat bekommt – das tröstet ein wenig – genau so schwammige Antworten wie das Walhvieh, zum Beispiel:

“Die Bundesregierung geht, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs dargestellt, im Übrigen davon aus, dass der Vorrang des Angebots der Verlage nur dann eingreift, wenn dieses Angebot auch zu angemessenen Konditionen erfolgt”. Es werde daher im eigenen Interesse der Verlage liegen, ihre Konditionen “angemessen” auszugestalten.

Und was ist angemessen? Mal schauen, was da irgendwann die Gerichte entscheiden… Wie auch bei der Frage, was nun eine “Umgehung eines Kopierschutzes” ist. Nur nix festlegen, sondern so weich wie es nur geht…
Okay, es ist klar, dass Gesetze eine gewisse Unschärfe haben müssen, sonst wären sie noch länger und unverständlicher – aber man kann es auch übertreiben! Man könnte aber auch auf den Gedanken kommen, es handele sich einfach um Inkompetenz. Ist ja nur so ein Gedanke, immerhin hat es das Bundesjustizministerium nicht geschafft eine Musterwiderrufsbelehrung zu bauen, die auch den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften genügt? Hallo? Haben die keine Juristen im BMJ oder haben die die Gesetze einfach nur anders interpretiert als die Richter?
Aber beim Urheberrecht schafft man wieder riesige Interpretationsspielräume – ausbaden müssen es ja andere. Und damit es nicht so auffällt macht man es schrittweise: zuerst verbietet man das Umgehen eines Kopierschutzes, toleriert es aber in gewissen Grenzen (Privatkopie) – damit kann man leben, schließlich ist es in so einem Fall egal, ob eine analoge Kopie nun ein “Umgehen” im Sinne des Gesetzes wäre oder nicht, so lange es nur für eine Privatkopie geschieht ist es irrelevant… In der zweiten Runde wird dann aber die Ausnahme raus geschmissen. Man darf nicht mal mehr zum privaten Gebrauch einen Kopierschutz umgehen. Und wenn man mal nachfragt, was das soll heisst es aus dem Ministerium: Hey, was wollt Ihr denn? Das Umgehen war doch schon vorher verboten, daran ändert sich doch nix…

Aber dann wundern, wenn man sich als Wähler verarscht vorkommt… für wie blöd halten die uns eigentlich?

Missbrauch, überall nur Missbrauch…

Im lawblog gelesen: Prozesskostenhilfe auf dem Prüfstand.
Bisher ist es ja so, dass jemand, der sich die Kosten eines Prozesses nicht leisten kann Prozesskostenhilfe beantragen kann. Das nicht nur, wenn dieser jemand verklagt wird, sondern auch, wenn er selber jemanden verklagen möchte. Diese Hilfsleistung soll sicher stellen, dass jeder die gleichen Möglichkeiten hat, Streitfälle von einem Gericht klären zu lassen und nicht nur die, die es sich leisten können.
Jetzt gibt es aber eine ganz schlimme Form des Missbrauchs. Nein, ich meine damit nicht den im Beitrag angesprochenen Einzelfall aus Gütersloh. Diesen Fall schiebt man sicher gerne vor, passt er doch ins Bild der bösen “Sozialschmarotzer”. Es geht wohl eher um diese frechen Bezieher von AlgII, die der Meinung sind ihnen stünde mehr zu. Und statt einfach zu akzeptieren, was ihnen da zugestanden wird wollen die auch noch gegen die Bescheide klagen. Und jetzt kommt die unglaubliche Frechheit: dazu beantragen die auch noch Prozesskostenhilfe. So geht es ja nun nicht, es soll gefälligst nur klagen, wer sich das auch selber leisten kann, oder was?

Was für eine “Explosion”…

Ständig hört man von der angeblichen “Kostenexplosion” beim AlgII und Horrorzahlen von bis zu 25% Missbrauch werden uns um die Ohren geschmissen. Nur: das alles stimmt nicht. Zumindest lassen sich diese Zahlen nicht belegen.

Zum Thema Kostenexplosion sagte Franz Müntefering am 1.6.2006:

Ich will damit nur klarstellen: Was die Entwicklung der Kosten im Bereich des Arbeitslosengeldes II angeht, so ist auch dies unter Kontrolle. An dieser Stelle findet keine Kostenexplosion statt.

Und was den Missbrauch angeht spricht man in der Bundesagentur für Arbeit von 5%, die erwähnten 20-25% werden nicht bestätigt, selbst die 5% werden relativiert:

“Unsere Zahlen können Annahmen von 10, 20 oder 25 Prozent an Betrugsfällen, wie sie in Berlin gelegentlich genannt werden, in keiner Weise stützen”, heißt es dort. Selbst die von der Bundesagentur kommunizierten ca. 5% werden nicht automatisch als Missbrauch definiert. BA-Sprecher John-Philip Hammersen erläuterte, es handele sich unter anderem auch um verspätete Statusmeldungen wie nach einer Krankheit usw.

Und wozu nun diese Horrorzahlen? So schwer ist das doch nicht:

Ohne in Verschwörungstheorien zu verfallen, muss man sich fragen, warum vehement falsche Zahlen kommuniziert wurden und werden, die dazu dienen (können/sollen), ein falsches Bild über die ALGII-Gesetzgebung und die Leistungsempfänger entstehen zu lassen. Eine Erklärung wäre, dass man weitere Einschränkungen der Leistungsempfänger in Bezug auf Datenschutz und Privatsphäre wie beispielsweise im Optimierungsgesetz vorgesehen, plant und sich so die öffentliche Zustimmung sichern will. Dafür scheinen Politiker auch durchaus hinzunehmen, wahlweise als inkompetent oder uninformiert zu gelten. Denn sich vor Diskussionsrunden oder anderen Terminen die konkreten Zahlen geben zu lassen, ist keine so schwierige Angelegenheit. Dass darauf verzichtet wurde und wird und stattdessen weiterhin mit Zahlen jongliert wird, die um ein Vielfaches höher sind, spricht eine deutliche Sprache. Unangekündigte Wohnungskontrollen durch Außendienstmitarbeiter der Agenturen jedenfalls wurden im Optimierungsgesetz beschlossen und mit den hohen Missbrauchsquoten begründet.

Bleibt eine Frage, die ich gestern schon gestellt habe: sind es Menschen, die einen kreativen Umgang mit der Wahrheit pflegen, die in die Politik gehen oder verändert die Tätigkeit als Berufspolitiker Menschen in diese Richtung? Tatsache bleibt: langsam aber sicher übertreiben sie es…

Ich bin bestimmt kein großer Anhänger von Ethik und Moral,
wenn ein Politiker mich belügt, find ich das eigentlich normal,
mehr erwart ich nicht von ihm und solang er’s nicht übertreibt,
ist mir schon klar, daß ihm im Grund auch gar nichts andres übrigbleibt.
Meinen Glauben an die Demokratie kann das nicht ernsthaft störn,
aber eines mag ich echt bei aller Liebe nicht mehr hörn.
Dieses Geschwätz die ganze Zeit, egal welche Gelegenheit,
unser dringendstes Problem, das wär die Arbeitslosigkeit.

(Götz Widmann – Das Recht auf Arbeitslosigkeit)

Das Gesundheitsministerium bastelt ein eigenes Internet (Update)

Das Gesundheitsministerium in einem Topf mit dem ADAC und Callboy Torsten. Alle drei glauben nämlich, dass sie es anderen vorschreiben können ob und wie auf sie gelinkt wird. Naja, wobei sich die beiden Erstgenannten dabei wenigstens klar ausdrücken.
Die Grüne Jugend hat es dabei mit dem Gesundheitsministerium und will den Streit auch ausfechten. Mal schauen wie es aus geht…

Vielleicht ist die Ministerin ja nicht so erkenntnisresistent wie der Herr Torsten R. aus B., denn auch bei ihr versucht es Udo Vetter mit einem Hinweis in seinem Weblog.

(via netzpolitik.org)

Update: inzwischen hat das BMG auf Udo Vetters Anfrage geantwortet. Kann man kurz zusammenfassen: “Die anderen machen das doch auch…”

26.000 Euro für vier Video-Ansprachen

Nicht schlecht: für die ersten vier Ausgaben des “Video-Podcasts” – ja, die wöchentliche Neujahrsansprache im Netz – unserer Bundeskanzlerin wechselten mal eben 26.000 Euro den Besitzer. Und wer hat es erfunden bezahlt? Genau, wir.
Okay, im Vergleich zu anderen Summen in der Bundespolitik nicht wirklich viel – man denke nur daran, was das neue Arbeitsamt-Logo gekostet hat. Aber mal ernsthaft: 26.000 Euro? Echt jetzt? Wofür denn?
(via Spreeblick)

Lachhaft

Das ist doch nicht ernst gemeint, oder? Frau Merkel bittet also um Lehrstellen? Und das ist alles? Um mehr Lehrstellen bitten? Nachdem das mit dem Ausbildungspakt mal wieder nicht so recht klappen will sagt die Frau Bundeskanzlerin jetzt lieb Bitte-Bitte? Wenn sich die Unternehmen also nicht an ihre Selbstverpflichtung halten, dann werden sie sich sicher umstimmen lassen, wenn Frau Merkel Männchen macht einen Brief schreibt. Ist klar…

Probleme mit den Erntehelfern

Also diese Zahlen aus dem Bericht bei tagesschau.de hätte ich dann doch gerne mal genauer aufgeschlüsselt:

An der Umfrage beteiligten sich rund 400 Betriebe, die insgesamt 2064 inländische Erntehelfer bei den Agenturen für Arbeit beantragt hätten. Die Arbeitsämter stellten ursprünglich sogar mehr Helfer in Aussicht – nämlich 2451. Von diesen seien 1405 zum Vorstellungsgespräch erschienen, von denen wiederum 602, also rund ein Drittel, einen Arbeitsvertrag unterzeichneten. 589 seien schließlich bei der Arbeit erschienen – 267 von ihnen seien allerdings schon nach kurzer Zeit nicht mehr im Einsatz gewesen. Nach Angaben des Verbandes waren nach einer Woche noch insgesamt 322 Inländer im Einsatz.

Aus welchem Grund sind denn 1046 Leute gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch erschienen? Und warum wurde das der jeweils zuständigen Agentur für Arbeit nicht gemeldet bzw. warum hat die dann keine anderen Leute geschickt? Und von denen bei den Vorstellungsgesprächen waren gerade mal 602, die einen Arbeitsvertrag unterschrieben haben? Und der Rest? Wollten die nicht? Waren sie nicht geeignet? Und wieder: 2064 Leute wurden gebraucht, nur 602 unterschreiben einen Arbeitsvertrag – warum wurde das nicht der jeweils zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet? War doch spätestens da schon klar, dass die Zahl der Erntehelfer nicht ausreichen würde. Von den 602 sind dann 13 gar nicht erst zur Arbeit erschienen, aber warum? Wollten die nicht? Lag eine Krankmeldung vor? Ähnlich verhält es sich dann mit den 267, die innerhalb der ersten Woche wieder aufgehört haben: mit welcher Begründung? Details bitte…
Ich kann nicht glauben, dass daran nur die “faulen Arbeitslosen” schuld sein sollen, immerhin würde das doch dem Bauernverband zu gut passen: die deutschen Arbeitslosen wollen ja nicht, also “müssen” weiterhin billige Erntehelfer aus Polen geholt werden. Klingt ja richtig schön einfach – aber so einfach ist es nur selten im richtigen Leben.

Reich werden mit 1-Euro-Jobs

Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber man kann mit 1-Euro-Jobs richtig reich werden. Ja wirklich. Man darf nur nicht den Fehler machen und einen 1-Euro-Job selber machen, vermitteln muss man die Jobs. Nicht nur, dass man da durchaus auch mal das Doppelte von dem bekommt, was der 1-Euro-Jobber bekommt, man bekommt das auch jeden Monat und man kann ja nicht nur einen 1-Euro-Jobber vermitteln… und es macht keinen Unterschied, ob man einen oder zehn 1-Euro-Jobber “betreut”. Sind die erst mal vermittelt besteht die “Betreuung” ja anscheinend nur noch aus dem Verwalten der Zahlungen…
(via F!XMBR)

Wir haben genug Öl – und regenerativ ist es noch dazu…

Manchmal liest man Blogbeiträge bei denen man nicht weiss, ob man lachen oder weinen soll. Oliver Luksic erzählt uns also, dass es genügend Öl gäbe. Er argumentiert bzw. übernimmt die Argumentation, dass man ja bei all den früheren Schätzungen den Fortschritt außer acht gelassen hätte und heute noch ignorieren würde, um “Horrorszenarien” aufzubauen.
Okay, er hat sicher recht, dass die Vorräte noch ein paar Jahre halten und wir in den nächsten Tagen nicht damit rechnen müssen, dass uns das Öl ausgeht, aber es wird uns irgendwann ausgehen. Ganz sicher, auch wenn da jemand behauptet:

Als ich im Bundestag im März ein Praktikum gemacht habe, habe ich dort dasselbe erfahren, vor allem ist Öl selbst regenrativ, da es sich dabei um unter hohen Temperature konzentriertes Wasser handelt, das unter die Erdoberfläche gesickert ist.

Also gelernt hat der Meister bei seinem Praktikum offensichtlich nicht viel – oder einfach nur die wichtigste Regel im Politikbusiness: wie drehe die Wahrheit so, dass sie mir passt ohne offensichtlich zu lügen. Klar ist das mit dem Öl nicht schwer und wenn man mal den Quatsch mit dem “konzentrierten Wasser” ignoriert: man nehme ein bisschen Kohlenstoff, etwas Druck, Hitze und ein paar Hunderttausend Jahre Zeit und schon gibt es frisches Erdöl. Und inzwischen? Inzwischen nehmen wir einfach den Strom aus der Steckdose und fahren Elektroautos…

Oh Herr, schmeiss Hirn vom Himmel… und zwar reichlich!

Firmen sollen Kirchensteuer zahlen

Dieses Jahr kommen die Sommerloch-Meldungen echt Schlag auf Schlag. Diesmal ist der Held Reinhard Schultz aus der SPD-Bundestagsfraktion. Die FTPD berichtet, dass er der Meinung ist, auch Firmen sollten in Zukunft Kirchensteuer zahlen. Ja nee, ist klar. Und wer legt dann fest, welche AG katholisch und welche evangelisch ist? Wird das ausgelost, geht das nach dem Vorstand oder dem Durchschnitt der Belegschaft? Gelten für die Festsetzung des Firmenglaubens nur die Mitarbeiter im Inland oder auch die im Ausland?
(via Roland)